Den Service public nicht zerschlagen!
Am 5. Juni zwei mal Nein zu den Initiativen "pro Service public" und "Milchkuh - für eine faire Verkehrsfinanzierung"
Beide Initiativen suggerieren mit ihren verführerischen Titeln, Bedürfnisse und Anliegen aus der Bevölkerung aufzugreifen. Beide wirken sich jedoch faktisch zerstörerisch auf den Service public aus. Aus zwei Gründen:
- Dem Bund würden durch beide Initiativen erhebliche Einnahmen entgehen. Deshalb wird er sparen müssen. Das wird er vor allem in den Bereichen Bildung und Forschung, im öffentlichen Verkehr, der Landwirtschaft sowie bei der Gesundheit tun. Das wiederum wird unwägbare Folgen für die kantonale und kommunale Ebene haben, die ihrerseits mehr zur Kasse gebeten werden.
- Die Service public-Initiative wird die Grundversorgung durch SBB, Swisscom und Post gefährden. Das trifft Bund, Kantone und Regionen - und vor allem die Bevölkerung. Die "Milchkuh" wird sich auf die eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Projekte im öffentlichen Verkehr auswirken und deren Finanzierung gefährden.
Mogelpackung 1: Die Service public-Initiative
Die Initiative fordert, dass in der Grundversorgung weder Gewinn noch Steuereinnahmen angestrebt werden und dass mit dem Gewinn nicht andere Bereiche querfinanziert werden dürfen.
Konkret hiesse das: Die SBB dürfen bei den Fernverbindungen keinen Gewinn mehr machen, PostFinance darf ebenfalls keinen Gewinn erwirtschaften, der Bund darf von der Post keine Gewinnbeteiligung mehr erhalten, und die Swisscom dürfte keine Dividenden mehr ausrichten.
Die Folgen: Der Bund müsste bei den SBB noch mehr Geld einschiessen, um die unrentablen Bereiche zu finanzieren. Die PostFinance würde vermutlich privatisiert, und bei der Swisscom müsste sich der Bund zurückziehen, da er kaum alle anderen Aktionäre auszahlen könnte.
Eine Katastrophe für die Beschäftigten: Die guten Gesamtarbeitsverträge in den drei Unternehmen konnten die Gewerkschaften aushandeln, weil es öffentliche Betriebe sind. Sie haben eine Verpflichtung und setzen Standards, die jeweils für die ganze Branche massgeblich sind. Bei Annahme der Initiative ginge dieser Druck verloren.
Keine Verhandlungsmacht für die Gewerkschaften: Die Initiative fordert, dass alle Löhne in den Service public-Unternehmen nicht über denen der Bundesverwaltung liegen. Wer wollte nicht eine Obergrenze für Managerlöhne? Doch wie es die Initiative formuliert, müsste künftig das Parlament entscheiden, ob die Angestellten bei SBB, Post und Swisscom mehr Lohn bekommen oder nicht. Die Gewerkschaften würden durch das Parlament übersteuert.
Kein Geld für den Service public: Der Bund erhält jährlich durchschnittlich rund 600 Mio. Franken Gewinnbeteiligung von Post und Swisscom. Dieses Geld fliesst in Bildung und Forschung, Entwicklungszusammenarbeit, öffentlichen Verkehr und die Bundesverwaltung. Ein Ja zur Initiative würde all die Bereiche des Service public abwürgen, die bei Sparprogrammen ohnehin zuerst gekürzt werden.
Mogelpackung 2: Die Milchkuh-Initiative
Die Autofahrer würden wie eine Kuh gemolken, mit Abgaben, Steuern und Gebühren, das Geld aber verschwinde einfach in der Bundeskasse, behaupten die Initianten.
Das stimmt hinten und vorn nicht: Autofahren ist heute so billig wie vor 20 Jahren. Denn die Mineralölsteuern wurden nie der Teuerung angepasst, und die Motoren verbrauchen weniger Treibstoff.
Der Strassenverkehr kostet alle: Die Mineralölsteuer wurde nicht zur Finanzierung der Strassen geschaffen, genausowenig wie die Alkoholsteuer zur Finanzierung der Gesundheitskosten oder die Billettsteuer für die Kultur. Heute entstehen jährlich rund 5 Milliarden Franken ungedeckte Kosten durch den privaten Strassenverkehr. Sie werden von der Allgemeinheit finanziert werden, also auch von Leuten ohne Auto oder Töff.
Ein Riesenloch: Die Initiative würde ein Loch von 1,5 Milliarden Franken in die Bundeskasse reissen. Geld, das bei Bildung und Forschung, in der Entwicklungszusammenarbeit, in der Bundesverwaltung, bei der Gesundheit und beim öffentlichen Verkehr fehlen würde.
Verbetonierte Landschaften: Gleichzeitig würde sich in der Strassenkasse Jahr für Jahr mehr Geld anhäufen. Geld, das gar nicht verbaut werden kann, es sei denn, man würde das Strassennetz ohne Rücksicht auf Landschaft und Siedlungen ausbauen.