Ungefähr jedes halbe Jahr macht die UBS bei der AHV mit einer Publikation auf Panik. Die NZZ haut dann mit Titeln wie „Nach uns die Sintflut“ noch einen drauf. Die AHV hätte ein Finanzierungsloch von 1 Bio. Fr. bzw. von über 173 BIP-Prozenten – auf Kosten der Jungen! Dabei würde es reichen, ein paar Minuten ruhig nachzudenken - und die Panikszenarien lösen sich in Luft auf. Man kommt dann statt auf 173 BIP-Prozente auf Grössenordnungen, die eher im Bereich von 1 BIP-Prozent liegen. Und es wird klar: Der Generationengegensatz „alt gegen jung“ ist Unsinn. Im Gegenteil, je höher die Löhne und je sicherer die Arbeitsplätze der jungen Berufstätigen sind, desto besser geht es der AHV.
Wie kommt die UBS auf die Zahlen? Zunächst schätzt sie die gesamten künftigen AHV-Renten der heute in der Schweiz lebenden Menschen. Diese werden zusammengezählt. Dann schätzt sie die Beiträge an die AHV, welche dieselben während des ganzen Lebens leisten werden. Die Differenz aus diesen beiden Zahlen zusammen und zieht das AHV-Fondsvermögen ab. Je nachdem, welche Lebenserwartung für die heutigen Neugeborenen angenommen wird, führt das zu Schätzungen bis ins Jahr 2100(!).
Schätzungen über so lange Zeiträume sind mit sehr grossen Unsicherheiten verbunden. Sie sollten deshalb vermieden werden. Das zeigt zum Beispiel ein Blick in die Vergangenheit. Vor rund 40 bis 50 Jahren – zwischen 1965 und 1975 – stieg die Arbeitsproduktivität beispielsweise um rund 9 Prozent jährlich und nicht um 1 Prozent, wie von der UBS angenommen.
Der Bund hat Szenarien für die AHV-Finanzen bis ins Jahr 2045 gemacht. Mit einem angenommenen Produktivitätswachstum von 0.8 Prozent sind diese auf der „vorsichtigen Seite“. Dennoch ergibt sich für 2045 nur ein relativ bescheidener zusätzlicher Finanzierungsbedarf von etwas mehr als 1 BIP-Prozent.
In dieser Grössenordnung lägen auch die UBS-Zahlen, wenn sie von der Grossbank selber nicht völlig verzerrt dargestellt würden. Wenn sie sich schon auf das Abenteuer einlässt, die möglichen Ausgabenüberschüsse der AHV über rund 100 Jahre zu schätzen, so sollte sie diese Zahlen auch der Summe aller Einkommen über die nächsten 100 Jahre gegenüberstellen und nicht dem BIP eines Jahres. Dann würde aus den 173 BIP-Prozent an AHV-Fehlbeträgen (gemessen am BIP des Jahres 2011) nämlich plötzlich rund 1 BIP-Prozent (gemessen am BIP über die nächsten 100 Jahre mit einem Produktivitätswachstum von 1 Prozent/Jahr, ohne Bevölkerungswachstum).
All diese Szenarien gehen davon aus, dass sich an der Beschäftigungssituation der Berufstätigen nichts Wesentliches ändert. Obwohl die AHV vor allem über Lohnbeiträge finanziert wird. Doch je mehr die Berufstätigen verdienen und je weniger Erwerbslose es in der Schweiz gibt, desto höher sind die Einnahmen der AHV. Die berufliche Situation der Erwerbstätigen und die finanzielle Lage der AHV gehen Hand in Hand. Oder anders gesagt: Je besser die beruflichen Möglichkeiten der jungen Generation sind, desto besser steht die AHV da. Und desto weniger zusätzliches Geld braucht es zur Stabilisierung der AHV-Situation. Der von der Grossbank heraufbeschworene Generationengegensatz ist deshalb Unsinn. Die „Alten“ und die „Jungen“ haben starke gemeinsame Interessen.
Selbst wenn die AHV in ferner Zukunft zusätzliche Mittel brauchen würde: Die Berufstätigen haben dennoch mehr Geld zum Leben. Gemäss den Szenarien des Bundes und der UBS steigt die Produktivität um jährlich 0.8 bis 1 Prozent. Die Reallöhne sollten im Gleichschritt steigen. Das führt z.B. bis 2045 zu einem Reallohnanstieg von etwas über 32 Prozent. Gingen 2 Prozent davon an die AHV, so bleiben auch unter diesen Annahmen immer noch 30 Prozent mehr Reallohn.
Warum verbreitet die UBS dann diese Panik? Die Grossbank will ihre Produkte in der 3. Säule, der individuellen Altersvorsorge verkaufen. Die soziale und hocheffiziente AHV stört dieses Geschäft. Sie wirbt denn auch in ihren Werbebroschüren zur 3. Säule mit Negativmeldungen zu den Sozialversicherungen: „Das Vorsorgesystem der Schweiz steht unter Druck. Umso wichtiger ist der Anlageerfolg der privaten Ersparnisse für das Alter geworden, auch im Rahmen der Säule 3a.“