Ansprechende Lohnerhöhungen in den letzten 10 Jahren - doch kein "Durchmarsch" der Gewerkschaften wie die KOF gemäss NZZ offenbar suggeriert
Ziemlich überraschend hat die NZZ heute die KOF ETH in einem Artikel zur Lohnrunde ins Spiel gebracht. Offenbar behauptet die KOF, dass die Löhne seit 2008 deutlich stärker gestiegen seien als die Arbeitsproduktivität, welche kaum zulegen konnte. Gemäss diesen Zahlen waren die Gewerkschaften in den Lohnverhandlungen überdurchschnittlich erfolgreich. Die entsprechende KOF-Analyse ist öffentlich leider noch nicht verfügbar. Ein etwas detaillierterer Blick in die Zahlen relativiert den lohnpolitischen „Durchmarsch“ der Gewerkschaften jedoch etwas:
· Die Arbeitsproduktivität unterliegt starken zyklischen Schwankungen. Zudem gibt es viele Messprobleme – insbesondere im Finanzsektor und beim Staat. 2008 war ein Spitzenjahr stark getrieben durch den Finanzsektor. Vergleicht man die Entwicklung über die letzten 10 Jahre, dann beträgt das jährliche Produktivitätswachstum je nach verwendeter Statistik 0.8 Prozent (Business sector) bzw. 0.7 Prozent (Gesamtwirtschaft, Stundenproduktivität).
· Der Lohnanteil an der Wertschöpfung (Lohnquote) ist gemäss den ersten Zahlen des BFS bis 2015 tatsächlich gestiegen. Doch muss man etwas aufpassen, welche Zahlen man nimmt. Denn die staatliche Wertschöpfung ist definiert als Lohnsumme plus Abschreibungen. Wenn der öffentliche Sektor stärker wächst als die Privatwirtschaft steigt die Lohnquote deshalb nur schon aus rein statistischen Gründen. Deshalb empfiehlt sich ein Vergleich der Entwicklung bei den privaten Kapitalgesellschaften. Die Daten zeigen, dass auch hier die Lohnquote gestiegen ist. Doch die bisherigen Höchstwerte der Jahre 2001 und 2002 mit fast 61 Prozent wurden 2015 nicht erreicht (60.3 Prozent).
· Besonders stark gestiegen sind die obersten Saläre. Gemäss der zuverlässigsten Lohnstatistik, der AHV-Statistik, erhöhte sich die Lohnsumme des obersten Prozentes zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2014 von rund 15.7 auf 25.3 Mrd. Fr. – also um fast 10 Mrd. Fr. Das sind rund 1.5 Prozent des BIP. Hätten sich die Toplöhne im Einklang mit der gesamtwirtschaftlichen Produktivität entwickelt, so läge die Lohnquote heute auf einem merklich tieferen Niveau.
Ein Durchmarsch der Gewerkschaften ist in den Daten somit nicht erkennbar. Doch das Ergebnis der Lohnentwicklung lässt sich sehen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern konnten die Schweizer Gewerkschaften unter nicht einfachen Umständen gewährleisten, dass die Löhne mit der Wirtschaftsentwicklung Schritt hielten. Bei den tiefsten Löhnen resultierte durch die Mindestlohninitiative sogar ein stärkerer Anstieg.
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